Offener Brief II - Interessengemeinschaft für gesundes Leben

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Offener Brief II

Organspende


14.12.2011

OFFENER BRIEF an verantwortliche PolitikerInnen
von der Initiative "KAO", Kritische Aufklärung über Organtransplantation e. V.


Neue Regelungen zur Organentnahme


Sehr geehrte Damen und Herren,

im Namen des Vorstands von "Kritische Aufklärung über Organtransplantation", "KAO" und als von der Organentnahme betroffene Angehörige, möchte ich Sie bitten den angehängten "Offenen Brief" an Frau Dr.Merkel, Bundeskanzlerin, Daniel Bahr, Gesundheitsminister und Frau Leutheusser-Schnarrenberg, Justizministerin und an alle Parlamentarier zu lesen. Der Brief formuliert unsere grundsätzlichen Bedenken zur sogenannten Erklärungspflicht oder Entscheidungslösung zur Organspende

Wenn Sie sich diesem "Offenen Brief" anschließen und  durch eine Unterschrift aktiv unterstützen wollen, bitten wir darum, den Brief an Renate Greinert (E-Mail-Adresse unten) zu mailen mit folgenden Angaben: Name, Wohnort, Beruf.


Für den Vorstand von KAO

Renate Greinert
E-Mail: renate.greinert@t-online.de


Informationen zur Organspende bei www.initiative-kao.de


Im Dezember 2011

OFFENER BRIEF an die Bundeskanzlerin Frau Dr. Angela Merkel, an den Gesundheitsminister Herrn Daniel Bahr, an die Justizministerin Frau Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sowie an alle Abgeordneten des Deutschen Bundestags und alle Mitglieder des Bundesrats



Neue Regelungen zur Organentnahme


Verfasserin: Vorstand der KAO


Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, sehr geehrte Frau Justizministerin,
sehr geehrter Herr Gesundheitsminister, sehr geehrte Damen und Herren,

seit den Anfängen der Transplantationsmedizin wird die Gesellschaft nur einseitig werbend im Sinne der Transplantationsmedizin aufgeklärt, um die Organgewinnung zu maximieren. Der Bevölkerung wird darin vermittelt, Organspende sei ein Akt der christlichen Nächstenliebe. Auch wird fälschlicherweise eine Kausalität des Todes schwer kranker Menschen und einem Mangel an Organen hergestellt: täglich würden in Deutschland drei Menschen sterben, weil zu wenig Menschen Organe spendeten. Die Aufklärung beinhaltet hingegen keine Informationen über die Konsequenzen einer Organentnahme für den Geber und dessen Angehörige.

Hans Lilie, Lehrstuhlinhaber für Strafrecht an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, hat in seiner Festschrift zum 10jährigen Bestehen des Transplantationsgesetzes erklärt: "Anders als bei herkömmlichen Heileingriffen erfordert die freiwillige Erklärung zur Organspende keinerlei ärztliche Aufklärung." Es bliebe "den Einzelnen überlassen, sich selber die notwendigen Informationen zu besorgen".
1

Wir, eine Gruppe von Menschen, die uninformiert der Organentnahme bei ihren Angehörigen zugestimmt haben und Wissenschaftler, Ärzte, Juristen, Theologen, Journalisten, mit denen wir zusammenarbeiten sehen das anders.

  • Die Wirkung der Einwilligung setzt voraus, dass sie unbeeinflusst von Zwang und Täuschung sowie mit der Vermittlung ihrer ganzen Tragweite erteilt wird und dass der Einwilligende einwilligungs-, d.h. geschäftsfähig ist.


  • Es ist verfassungswidrig, dass im Transplantationsgesetz (TPG) der Bundesärztekammer die Definition des Todes übertragen ist. Schließlich obliegt die Gesetzgebung des Bundes nach Artikel 77GG dem Deutschen Bundestag und nach Maßgabe des Artikels 50GG in den dafür vorgesehenen Fällen auch dem Bundesrat. Die Bundesärztekammer hingegen ist ihrer Rechtsform nach ein nicht rechtsfähiger Verein, auf den gemäß §54 Satz 1 BGB die Vorschriften über die Gesellschaft bürgerlichen Rechts Anwendung finden.


  • Laut TPG § 3, 2 ist die Entnahme von Organen oder Geweben, soweit in § 4 oder § 4a nichts Abweichendes bestimmt ist, nur zulässig, wenn "der Tod des Organ- oder Gewebespenders nach Regeln, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen, festgestellt ist".


Die Grundannahme, der "Hirntod" sei der Tod des Menschen und die betroffenen Patienten seien Leichen bzw. Verstorbene, entspricht aufgrund jahrzehntelanger medizinischer Erfahrungen nicht mehr dem Erkenntnisstand der medizinischen Wissenschaft. In der international geführten Fachdiskussion werden mittlerweile selbst von renommierten Transplantationsmedizinern und Medizinethikern "hirntote" Patienten als Sterbende definiert.
3  Damit ist die ethische und rechtliche Frage nach der gesellschaftlichen Rechtfertigung bzw. Verurteilung von der medizinischen Tötung der Spender durch die Organentnahme aufgeworfen (der Tod tritt z.B. infolge der Explantation des Herzens oder wenn das Herz nicht entnommen wird, durch Ausbluten des Spenders ein).

Bevor diese Frage nicht umfassend von der Politik erörtert, reflektiert und geklärt ist, werden die Einführung der vom Gesetzgeber geplanten Erklärungspflicht oder Entscheidungslösung
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  • 1Lilie, Hans auf dem 110. Deutschen Ärztetag 2007 in Münster: 10 Jahre Transplantationsgesetz - Verbesserung der Patientenversorgung oder Kommerzialisierung. In: http://www.bundesaerztekammer.de/page.asp?his=0.2.20.4640.5169.5194 (29.11.2011)

  • 2 So der Jurist Hans Reis: Das Recht auf Leben - ein höchst unbequemes Recht. In: Balkenohl, Manfred/Rösle, Roland (Hg.): Handbuch für Lebensschutz und Lebensrecht. Paderborn 2010, S.40.

  • 3Vgl. z.B. neuere Hirntoddebatte in der amerikanischen Fachdiskussion: Miller, Franklin G. /Robert D. Truog, Rethinking the Ethics of Vital Organ Donations, in: Hastings Center Report 38 (2008) Nov.-Dec., S. 38-46; President's Council on Bioethics, Controversies in the Determination of Death: A White Paper, Washington, D. C., December 2008; Shah, Seema K. et al: Death and legal fictions. In: Journal of Medical Ethics 37 (2011)12, S. 719-722; Truog, Robert D. /Franklin G. Miller, The Dead Donoar Rule and Organ Transplantation, in: The New England Journal of Medicine 359 (2008) 7, S. 674-675; vgl. außerdem die Fachdiskussion im deutschen Sprachraum z.B.: "Die Leichenspende sollte verboten werden." Organtransplantation - der Basler Philosoph Andreas Brenner wehrt sich gegen den moralischen Druck der Organspende. In: AZ vom 9. August 2011, S. 21; Bergmann, Anna: Organspende - tödliches Dilemma oder ethische Pflicht? In: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Parlament, Nr. 20/21 vom 16. Mai 2011, S. 10-15; Geisler, Linus S.: Die Lebenden und die Toten, in: UNIVERSITAS, 65 (2010), 763, S. 4-13; Müller, Sabine: Wie tot sind Hirntote? Alte Fragen - neue Antworten. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Parlament, Nr. 20/21 vom 16. Mai 2011, S. 3-14; Sahm, Stephan: Ist die Organspende noch zu retten?, in: FAZ, Nr. 213 vom 14.9.2010, S. 33; Stoecker, Ralf: Ein Plädoyer für die Reanimation der Hirntoddebatte in Deutschland, in: Dirk Preuß/Nikolaus Knoepffler/Klaus-M. Kodalle (Hrsg.), Körperteile - Körper teilen, Kritisches Jahrbuch der Philosophie, 8 (2009).


und alle weiteren Änderungen des augenblicklichen Transplantationsgesetzes hinfällig. Sollte aber dennoch über den aktuellen Wissensstand der Hirntodforschung hinweggegangen werden, ist festzuhalten:

Eine Entscheidung für oder gegen eine Organspende zu fällen, setzt eine umfassende Aufklärung der potentiellen Spender voraus. Es muss der Bevölkerung verständlich erklärt werden, dass ein Organspender während der Organentnahme noch lebendig ist, denn die Verpflanzung von Organen, die aus einem toten Körper stammen, wäre für die Empfänger tödlich. Dieses Phänomen verweist nochmals auf die Tatsache, dass ein Organspender auf dem Operationstisch durch medizinisches Handeln als Folge der Organentnahme stirbt. Auch hier muss unter dem Gesichtspunkt, dass der Spender sich noch im Sterben befindet, die Frage gestellt werden, ob es gesetzeskonform ist, selbst- oder fremdbestimmt über das mit medizinischen Methoden und ärztlicher Hilfe herbeigeführte Ende des eigenen Lebens bestimmen zu können. "Euthanasie" und Sterbehilfe sind in Deutschland verboten.

Das Prozedere der Organgewinnung beinhaltet außerdem einen Verstoß gegen die Würde eines sterbenden Menschen, denn er wird, wie es in der transplantationsmedizinischen Sprache heißt, zum "human vegetable",, "menschlichen Herz-Lungenpräparat", "lebenden Restkörper", "Herz-Lungen-Paket" oder "Organangebot"  und damit zu einem Objekt degradiert.

Auch die Hirntoddiagnostik ist, sofern sie im Rahmen einer anschließenden Organentnahme durchgeführt wird, fremdnützig. Zudem birgt sie, wie jede andere Diagnostik auch, die Gefahr von Fehlurteilen in sich, und sie beinhaltet einen höchst aggressiven Umgang mit einem Komapatienten (z.B. Nadelstiche in die Nasenscheidewand, Eiswasserspülungen der Ohren, Apnoetest, Angiographie), der medizinethisch fragwürdig ist. Auch über diese gravierenden medizinischen Eingriffe vorab der eigentlichen Organgewinnung ist jeder einzelne Organspender detailliert zu informieren, denn wie bei einer invasiven Diagnostik sonst auch üblich, kann erst nach einer Aufklärung die schriftliche Einwilligung erfolgen. Die Hirntoddiagnostik wird an einem Menschen durchgeführt, der den Patientenstatus beansprucht und dem somit alle Rechte  eines Patienten zustehen.

Hans Jonas, einer der großen Philosophen des 20. Jahrhunderts, hat 1986 anlässlich einer Fernsehaufzeichnung in der Katholischen Akademie Hamburg erklärt: Der Anspruch der Gesellschaft an mich endet an meiner Haut, im Sterben sollte ich meine eigenen Bedürfnis bedenken.

Mit der Bitte um Unterstützung von Ihnen, verbleiben wir:

Für den Vorstand von KAO, Kritische Aufklärung über Organtransplantation

Renate Greinert

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 Zit.n. Jonas, H.: Technik, Medizin und Ethik. Frankfurt a.M. 1987, S. 228; Steinbereithner, K.: Grenzgebiete zwischen Leben und Tod - Anästhesiologische Probleme, Wiener klinische Wochenschrift 81 (1969), H. 2930, S. 530; zit.n. Baureithel, Ulrike/Bergmann, Anna: Herzloser Tod. Das Dilemma der Organspende. Stuttgart 1999, S. 61, 65, 44.



 
 
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